Kampf der 3./411 ostwärts Ramuschewo bei der Räumung des Kessels von Demjansk

Aus dem Kriegstagebuch des Kompaniechefs Oberleutnant Vollmer

17. Februar 1943

Oberleutnant Vollmer

Der letzte Tag in unserer Stellung vor Knewizy brach an. Die Befehle für das Lösen aus dem Abschnitt gehen an die Züge heraus. Beginn des Räumens um 18.00 Uhr. Von jedem Zug bleibt eine Gruppe als Nachhut zurück. Führer der Nachhut ist in meinem Kompanieabschnitt Hauptfeldwebel Lietz, für das Bataillon Leutnant Bergau von der 4. Kompanie. Die Nachhuten verlassen die Stellung morgen früh um 2.00 Uhr. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie mit allen Mitteln ein Eindringen der Russen in unseren Abschnitt zu verhindern. Ein vorgeschobener Beobachter der Infanterie-Geschütz-Kompanie verbleibt, bei Leutnant Bergau. Er hat einen feuerbereiten Zug zur Verfügung.

Der Tag vergeht ohne Zwischenfälle.

18.00 Uhr: Das Bataillon rückt mit Masse aus der Stellung. Alles vollzieht sich lautlos. Als einziger besitze ich in der Kompanie Skier. Leider war es nicht möglich, eine kampffähige Gruppe mit Skiern auszurüsten. Lietz übernimmt das Kommando der Nachhut. Die Front ist undurchdringlich ruhig.

20.00 Uhr: Meine Kompanie sammelt am Bahnhof. Meldung ans Bataillon. Dann marschieren wir weiter. Der Transport der Maschinengewehre und Munition auf den Akjas bewährt sich hervorragend. Weit und breit hört man nur das Knirschen des Schnees.

In Knewizy besuche ich noch einmal unseren kleinen Heldenfriedhof, auf welchem auch unser Obergefreiter Beyer ruht. Was mag aus diesen letzten Ruhestätten werden, wenn der Russe von ihnen Besitz ergreift? Wird er wenigstens die Toten ehren wenn er schon die Lebenden quält und schändet?

Wir erreichen die von mir festgelegte Riegelstellung einen Kilometer vor Nowinka. Meine Kompanie liegt in Schneestellungen quer durch den Wald als linker Flügel des Bataillons.

An der Front steigen ab und zu weiße Leuchtkugeln des Russen hoch. Ein Zeichen, dass er noch nichts von den Vorgängen bei uns bemerkte.

18. Februar 1943

Räumung des Kessels von Demjansk und Transport auf Lastenschlitten (Akjas)

7.00 Uhr: Die Nachhut stößt zur Kompanie. Lietz meldet, daß der Russe noch genauso, wie in den vorhergehenden Nächten, herumschießt. Noch hat er also nichts bemerkt! Der Tag verläuft ruhig.

16.30 Uhr: Wir räumen die Igelstellung. Wiederum lasse ich Lietz mit einer Nachhut zurück. Er erhält den Befehl, nach zwei Stunden die Stellung zu verlassen und in Sabolotj zum Gros des Bataillons zu stoßen.

Meine Kompanie sammelt sich in Nowinka. Abmarsch!

Das I. Grenadier Regiment 411 formiert sich in der Ortschaft Sabolotje.

20.30 Uhr: Die Nachhuten stießen zu uns. Der Rückmarsch beginnt. Meine Kompanie marschiert in der Mitte des Bataillons. Wir ziehen durch die Orte Beresno, Kality und Ilomlja. Die Bevölkerung scheint evakuiert zu sein. Überall herrscht Totenstille.

19. Februar 1943

Unsere Grenadiere auf dem Marsch aus dem Brückenkopf Demjansk

7.00 Uhr: Wir marschieren noch immer. Wenn ich meine Skier nicht hätte, wüsste ich nicht, wie ich bei meiner Kompanie einmal vorn und einmal am Ende der Marschkolonne sein könnte. Die Männer sind am Ende ihrer Kraft. Außer sich selbst müssen sie ja auch noch die Waffen und Munition auf den Akjas mitschleppen. Jetzt nach 40 Kilometern Marsch fällt der erste Mann erschöpft in den Schnee. Er kann nicht mehr! Was soll ich machen? Hier hilft nur noch ein Schock. Ich brülle ihn an, dass er aufstehen soll. Wenn nicht, dann müssen wir ihn zurücklassen und der Russe würde ihn massakrieren. Und wirklich, er reißt sich zusammen und schleppt sich weiter.

Weiter vorn schmeißt ein Landser, der auf einem Pack-Schlitten sitzt, seinen Karabiner in den Schnee. Er wird ihm angeblich zu schwer. Hier hilft nur strenge Härte: Namen feststellen und Androhung, ihn vor das Kriegsgericht zu bringen. Die Folgen einer um sich greifenden Demoralisierung wären unabsehbar. Erst werden die Waffen fortgeworfen, dann fällt die Truppe auseinander.

Nach weiteren 5 Kilometern erreichen wir endlich unser Tagesziel, ein Waldlager einen Kilometer vor dem Ort Schumilow Bor.

10.00 Uhr: Nach zweistündigem Warten ziehen wir endlich in den Blockhausbunkern unter. Alle Mann sind todmüde. Wir schlafen bis zum Abend.

20.00 Uhr – 23.00 Uhr: Besprechung der Kompaniechefs beim Kommandeur. Wir werden zwei oder drei Tage hier liegen bleiben, um die Rückzugsbewegungen der weiter ostwärts marschierenden Truppen abzuschirmen.

20. Februar 1943

Feldwebel Both

7.00 Uhr: Die Kompaniechefs gehen zur Geländeerkundung aus. Ich nehme Feldwebel Both mit. Die erste Stellung für meine Kompanie liegt einen Kilometer hinter dem Waldlager ostwärts der Brücke, welche über den hiesigen Fluß führt („Kap der guten Hoffnung”).

Danach erkunden wir eine zweite Stellung auf der anderen Seite des Flusses. Meine Kompanie wird dort links der Brücke am Ufer des Flusses zu liegen kommen.

11.30 Uhr: Von der Geländeerkundung zurück.

16.15 Uhr: Wir haben die erste Stellung bezogen. Bisher keine Feindberührung! Noch ist der Russe nicht nachgestoßen.

21. Februar 1943

Die Nacht verlief ruhig.

Am Vormittag lasse ich durch Both von jeder Gruppe einen Mann in die Stellung jenseits des Flusses einweisen. Ab 22.00 Uhr rücke ich mit der Kompanie in den neuen Abschnitt ab. Both bleibt mit einer Nachhut noch bis 2.00 Uhr in der alten Stellung zurück.

Vom Russen wissen wir noch immer nichts.

22. Februar 1943

4.00 Uhr: Unsere Nachhut stößt zur Kompanie.

9.30 Uhr: Die russische Vorhut nähert sich unserer Stellung. Der Feind tastet vorsichtig entlängst der Rollbahn vor. Wir lassen den Gegner bis auf einhundert Meter an unsere Linien herankommen, dann treiben wir ihn zurück. Er lässt eine Anzahl Gefallener zurück. Die Nacht bleibt ruhig. Wir empfangen unseren weiteren Rückzugsbefehl.

23. Februar 1943

Im Laufe des Vormittags tastet der Russe mit schwachen Kräften an verschiedenen Stellen unsere Linien ab. Er holt sich überall eine blutige Abfuhr.

14.00 Uhr: Wir beginnen gleichzeitig bei allen Kompanien uns aus der Stellung zu lösen. In diesem Augenblick bricht der Feind in die HKL bei der 1. Kompanie ein. Auf Befehl soll die Nachhut versuchen, ein weiteres Vordringen der Russen noch zwei Stunden lang zu verhindern und dann folgen. Das Gros des Bataillons löst sich. Wir marschieren durch riesige Urwälder.

Gegen 22.00 Uhr erreichen wir, ohne weitere Feindberührung gehabt zu haben, die uns von früher her gut bekannte Ortschaft Ignatizy. Eine halbe Stunde später stößt unsere Nachhut zur Kompanie.

22.45 Uhr: Auf Befehl der Division werden wir ohne größere Rast sofort wieder in Marsch gesetzt. Der Russe tat das Klügste, was er machen konnte, nachdem er am 18. Februar feststellen musste, dass alle deutschen Divisionen im Raum Demjansk ihre Stellungen verließen; er griff im „Schlauch” an. Wenn es ihm an jener Stelle gelingt, sich in den Besitz der Rollbahn zu setzen, d. h. der einzigen Straße, welche aus dem sog. „Kessel” herausführt, vernichtet er alle auf dem Marsch sich befindenden Divisionen. Es gelang dem Russen gestern, einen Einbruch in der deutschen Nordostfront des „Schlauchs” zu erzielen. Wir sollen zum Gegenangriff angesetzt werden.

24.Februar 1943

Ignatizy 1.00 Uhr: Das Bataillon wird auf einer zusammengefassten LKW-Kolonne verladen. Wir nehmen alles einschließlich der Akjas mit. Die Nachtfahrt auf den gefrorenen Knüppeldämmen bedeutet alles andere als ein Vergnügen.

Nach 8.00 Uhr erreichen wir Ramuschewo. Wir steigen ab und stehen auf der Rollbahn herum, da wir auf einen Befehl bzw. irgendwelche Einweiser warten müssen.

Angriff der 3/411 am 24.2.1943

9.00 Uhr Artilleriebeschuss, der sichtlich gut geleitet wird. Zum Schutz gegen Sicht steigen wir ins Lowatjtal hinunter.

Auf der anderen Seite des Flusses beobachten wir eine deutsche Einheit, welche gegen den 2 Kilometer vom Fluss entfernten Waldrand vorgeht. Russisches Infanteriefeuer von dorther zwingt die deutsche Einheit jedoch, sich im Schnee einzugraben. Dort scheint die Einbruchsstelle zu sein. Wenn die Russen von dort aus noch 3 Kilometer vorstoßen, sind sie im Besitz von Ramuschewo und damit der lebenswichtigen Rollbahn.

15.00 Uhr: Der Einsatzbefehl erreicht unser Bataillon. Wir begeben uns im Tal zuerst weiter flussabwärts, überschreiten dann den gefrorenen Fluß und kommen an dieser Stelle ungeschoren in den Wald. Dort befindet sich ein Einweiser, welcher uns noch 2 Kilometer zum Gefechtsstand des hier eingesetzten Sicherungsbataillons führt. Kommandeur ist ein Major Happel.

Die Front verläuft hier etwa eineinhalb Kilometer einwärts des vorhin erwähnten Waldrandes im dichten Hochwald. Der Bataillons-Gefechts-Stand, an welchem wir gerade halten, ist der rechte Pfeiler des stehengebliebenen Frontabschnittes. Rechts davon brach der Russe durch. (Seine vorderen Teile sahen wir am Waldrand vor Ramuschewo.) Die Einbruchsstelle soll bisher etwa 4 Kilometer breit sein. Fast genau in der Mitte existiert noch ein Stützpunkt, welcher von etwa 50 deutschen Pionieren verteidigt wird. Laut Funksprüche dieser deutschen eingeschlossenen Gruppe wird sie heftig von den Russen angegriffen und glaubt, sich nicht mehr lange halten zu können. Unser Bataillon soll zuerst einmal diese Pioniergruppe heraushauen. Bataillon gibt den Angriffsbefehl heraus. 3. Kom­panie rechts, 2. Kompanie in der Mitte, 1. Kompanie links. 1. Kompanie hält Anschluss mit der bestehenden Fronttruppe. Meine Kompanie stellt die Verbindung zur eingeschlossenen Pioniergruppe her.

Kompaniebefehl für den Angriff:

  1. Der Russe hat die hiesige Front in etwa 4 Kilometer Breite durchstoßen, über seine Kräfte ist nichts bekannt. Ungefähr in der Mitte der Einbruchsstelle be­findet sich noch ein von dem Feind eingeschlossener deutscher Stützpunkt, welcher weiterhin verteidigt wird. Das 3/411 greift sofort an. 3. Kompanie rechts vorn, 2. und 1. Kompanie links rückwärts gestaffelt.
  2. Der Auftrag für unsere Kompanie besagt, falls wir im Wald auf Widerstand stoßen (wahrscheinlich in der Nähe des deutschen Stützpunktes), diesen mit allen Mitteln zu brechen und Verbindung zur eingeschlossenen deutschen Pioniergruppe herzustellen. Weiterhin ist eine durchgehende Linie von der noch bestehenden deutschen Front (Batl. Gef. Stand Happel) zum Pionierstützpunkt (von links nach rechts: 2., 1. und 3. Kompanie) zu besetzen. Unsere Kompanie steht beiderseits des Trampelpfades, welcher zu dem deutschen Stützpunkt führen soll, Zug Both rechts, Zug Lietz links, in geöffneter Ordnung vor.
  3. Nach Aussagen der in Stellung liegenden deutschen Truppe befindet sich der Feind erst unmittelbar vor dem Pionierstützpunkt und sichert mit schwachen Kräften nach unserer Seite hin.
  4. Unterstützung durch schwere Waffen kann nicht erwartet werden, da in der Nacht keine Möglichkeit zum Einschießen auf auftauchende Ziele besteht.
  5. Der Arzt und Tragen für den Verwundetentransport befinden sich beim Bataillons-Gefechts-Stand Happel, welcher vorerst auch den Bataillons-Gefechts-Stand 1/411 aufnimmt.
  6. Ich gehe zwischen den beiden Zügen auf dem Trampelpfad vor.
  7. Angriffsbeginn sofort. Uhrzeit: 18.45 Uhr.

Die Kompanie tritt zum Angriff an. Der Schnee liegt so hoch, daß wir abseits des festgetretenen Pfades fast bis zum Bauch versinken. Es ist ein mühseliges Vorwärtskommen.

19.45 Uhr: Wir legten erst ca 800 Meter zurück. Keine Feindberührung. So kommen wir jedoch nicht weiter. Ich ziehe meine Kompanie auf dem Trampelpfad zusammen mit Sicherung nach allen Seiten. Rechts von uns, in Nord-Süd-Richtung zieht sich eine Schneise im Wald entlang. Man erkennt die Lichtung an dem Streifen Abendhimmel, der durch die Baumwipfel leuchtet. Im spitzen Winkel dazu läuft unser Trampelpfad weiter. Ich sende auf dem Pfad und in die Schneise je einen Spähtrupp (1 Unteroffizier und 2 Mann) zur Erkundung aus. Wir anderen warten.

20.05 Uhr: Der Spähtrupp, welcher auf dem Pfad voranging, kehrt zurück. Er bringt drei gefangene Russen und ein erbeutetes russisches l. M.G. mit. Nach etwa 200 Metern stießen unsere Männer am Pfad auf eine russische M.G.-Stellung, sprangen zu und nahmen die Besatzung gefangen. In dieser Höhe scheint die russische Stellung sich quer durch den Wald zu ziehen.

Da dahinter die eingeschlossenen Pioniere liegen müssen, gebe ich den Befehl zum weiteren Angriff: „Kompanie geht in Schützenreihe auf dem Trampelpfad vor. Zug Lietz vorn, danach ich mit dem Kompanietrupp und hinterher folgt der Zug Both”.

20.10 Uhr: Die Kompanie tritt an.

20.15 Uhr:Die Spitze erhält nach 200 Metern Feuer. Ich begebe mich nach vorn. Aus dem Dunkeln vor uns und links wie rechts knallen Gewehr- und M.G.-Schüsse. Der Russe schießt glücklicherweise zu hoch. Als ich mich 20 Schritte nach links in den Wald begebe, stoße ich auf zwei mit einer Panzerbüchse bewaffnete Russen, die ich mit Pistolenschüssen erledige. Anscheinend gewann der Gegner bisher noch keine Klarheit über unser Vorgehen, da er sich ziemlich planlos benimmt. Es ist aber auch stockdunkel.

20.20 Uhr: Da vor uns ein russisches M.G. in Stellung liegt, gebe ich Feldwebel Both den Auftrag zu versuchen, rechts des Pfades durchzukommen.

20.25 Uhr: Both stakst rechts im tiefen Schnee voran. Kurz danach ertönt sein Ruf: „Hilfe, Herr Oberleutnant, ich liege verwundet zwischen Russen”. So schnell wie möglich krieche ich mit einem Melder und dem Sanitätsunteroffizier zu Both hin. Allerdings wird die russische Schießerei unangenehm. Der ganze Wald scheint voll zu sitzen.

Both erhielt einen Schuss durch den Bauch. Wir verbinden ihn behelfsmäßig. Um uns herum liegen auf nächste Entfernung Russen. Vier erledigen wir durch gut gezielte Handgranatenwürfe. Mehrere andere, darunter einen M.G.-Trupp, stießen wir beim Fliehen ab. Dann gibt es hier Luft und wir können Both zurücktragen.

Bis jetzt vernichteten wir einen russischen Zug. Achtzehn Russen fielen, fünf nehmen wir gefangen. Ein l.M.G., eine Panzerbüchse, mehrere MPi und Kara­biner erbeuteten wir. Bei uns wurde Feldwebel Both verwundet. Aber hier kommen wir nicht durch. Die Russen schießen wie die Irren.

20.45 Uhr: Plötzlich steht der Spähtrupp vor mir, welchen ich die Schneise entlang sandte. An die Männer dachte ich in der Hitze des Gefechts gar nicht mehr. Der Unteroffizier meldet, das er ohne Feindberührung bis zum abgeschnittenen deutschen Pionier-Stützpunkt vordrang. Sie waren die Schneise entlanggelaufen (ca. 1,5 km). Dann hörte der Wald auf. Vor ihnen lag ein abfallender, mit Kusseln bewachsener Bachgrund. Der Spähtrupp lief darauf links am Waldrand hinauf hoch und stieß nach etwa 500 Metern auf einen Posten des abgeschnittenen Stützpunktes.

20.50 Uhr: Neuer Befehl an die Kompanie: „Lösen vom Feind. Kompanie zieht sich 200 Meter zurück bis zum Schneisenanfang. Die Schneise wird von uns besetzt. Zug Both links, Zug Lietz rechts. Die Gruppen werden von mir eingewiesen”.

21.50 Uhr: Haben Verbindung mit dem Führer des abgeschnittenen deutschen Stützpunktes aufgenommen. Meldung an Bataillonskommandeur mit der Bitte um Zuweisung von mindestens zwei Gruppen, da meine Kräfte nicht ausreichen, den gesamten Abschnitt zu sichern (über 2 Kilometer).

22.20 Uhr: Pionier-Zug unseres Regiments, welcher als Bataillons-Reserve bereitstand, wird mir unterstellt (18 Mann). Ebenfalls kommt eine schwere M.G.-Gruppe der 4. Kompanie zu mir. Jede Gruppe meiner Kompanie hat jetzt einen Abschnitt von knapp 200 Metern zu besetzen. Wir graben Schneestellungen aus. Als Unterkünfte werden Zelte über Schneelöchern errichtet. Der Mangel dieser Stellung ist, dass wir wie an einer Perlenschnur aufgereiht liegen und keine Tiefe haben. Doch ist das in diesem Urwald vorerst unmöglich.

22.30 Uhr: Die 1.Kompanie nahm Anschluss an uns.

23.00 Uhr: Russische Essenholer versuchen, durch unsere Linien zu gehen. Sie fallen. Wir erbeuten vier volle Kanister mit Graupensuppe. So kommen wir zum ersten Mal seit über einer Woche zu einer warmen Mahlzeit.

Auf jeden Fall müssen in unserem Rücken aber auch russische Truppen liegen, welche das Essen erhalten sollten (rund 100 Mann). Die Doppelposten müssen also nach vorn und nach hinten sichern.

25. Februar 1943

1.15 Uhr: Die Gruppe Grießei entdeckt an der Stelle, an welcher die russischen Essenholer unsere Stellung durchschreiten wollten, unter dem Schnee vergraben eine russische Fernsprechleitung, welche unsere Linien kreuzt. Die Posten zerschneiden die Leitung. Im Morgengrauen schießt die Gruppe Grießer einen russischen Trupp, der sich von vorn unseren Stellungen nähert zusammen. Vor unserem Maschinengewehr bleibt auch ein russischer Major liegen. Wir finden wichtige Papiere bei ihm. Unter anderem erbeuten wir eine Skizze, auf welcher die weiteren russischen Angriffsabsichten auf Ramuschewo eingezeichnet sind. Der Geg­ner will durch den von uns heute Nacht besetzten Raum hindurch. — Den ganzen Tag über liegt schweres russisches Artillerie-, Werfer- und Granatwerferfeuer auf unserer Stellung. Einige schmerzliche Verluste treten durch Verwundungen ein, da wir nur in Schneelöchern liegen können.

Der Abschnitt der Kompanie ist scheußlich, da wir sowohl nach vorn wie nach hinten ein begrenztes Sichtfeld von nur knapp 20 Metern haben. Der Hochwald ist hier dicht mit Unterholz bewachsen.

17.30 Uhr: Der Russe greift mit Schwerpunkt im Raum der Gruppe Grießer von vorn und von rückwärts gleichzeitig an. Es handelt sich um einen kombinierten Angriff eines russischen M.Pi-Bataillons von vorn verbunden mit dem Durchbruchsversuch der von uns abgeschnittenen russischen Truppe. Das Schnellfeuer der Maschinenwaffen dröhnt ungeheuerlich. Wir haben den Vorteil, dass der Russe von beiden Seiten her ziemlich hoch schießen muss, um sich nicht selbst abzuschießen. Außerdem ist der Schnee so tief, dass der Angreifer sich nur langsam heranschieben kann. Trotzdem gelingt es zwei Russen bis auf die Schneise vorzudringen, wo sie im Nahkampf niedergemacht werden. Der Angriff sollte durch einen Überraschungsschritt begonnen werden. Auf den Ruf unseres Postens: ..Halt, wer da!”, als er von rückwärts her sich Menschen nähern sah, antwortete eine Stimme auf Deutsch: „Nicht schießen”. Doch der Posten schoß. Darauf schwoll mit dem wilden Ruf: „Urrääh” von beiden Seiten die russische Angriffswelle hoch. Es ist stockdunkel.

18.05 Uhr: Im Kompanieabschnitt herrscht Ruhe. Der russische Angriff wurde abgewehrt. Bei uns erlitten drei Männer Verwundungen. — Die Nacht verläuft ohne Zwischenfälle.

26. Februar 1943

9.15 Uhr: Der Russe greift von vorn an. Wir fügen ihm erhebliche Verluste bei. Kein Gegner kommt in unsere Stellung.

10.45 Uhr: Vor unserer Stellung werden keine Russen mehr gesichtet. Den Tag über liegt verhältnismäßig schweres Feuer auf unserem Abschnitt. Zwei Männer gehen von der Kompanie mit Verwundungen ab. Des Nachts geringerer Beschuß.

27.Februar 1943

Am Tage liegt Granatwerfer und geringer Artilleriebeschuss in unserem Abschnitt.

10.00 Uhr: Ich sende nach vorn zwei Trupps aus mit dem Auftrag, höchstens 100 Meter in den Wald einzudringen. Sie kehren, ohne Feindberührung gehabt zu haben, zurück.

11.15 Uhr: Ich lasse vor und hinter der Stellung die Waffen der gefallenen Russen einsammeln. Das Fazit der vergangenen beiden Tage ist folgendes:

Vor unserer Stellung liegen über 150 gefallene Russen. Hinter der Stellung, also bei  der von uns abgeschnittenen russischen Kampfgruppe, wurden 68 Russen vernichtet. Wir erbeuteten: 4 leichte Maschinengewehre, darunter ein deutsches M.G. 34, 2 Panzerbüchsen, 76 Maschinenpistolen und über 70 russische Karabiner. Der Verkehr auf der Rollbahn bei Ramuschewo kann von dieser Seite her nicht mehr von den Russen eingesehen und behindert werden.

15:30 Uhr Von rückwärts aus dem Wald kommen 24 Russen, die letzten Überlebenden des abgeschnittenen Häufleins, und ergeben sich. Der Hunger machte sie weich. In der Nacht nur geringer Beschuss.

2. März 1943

Die drei Tage verliefen ohne besondere Kampfhandlungen. Wir verzeichnen keine Verluste. Im Allgemeinen war es ruhig, bis auf den üblichen Granatwerfer Beschuss. Wir begannen mit dem Ausbau der Stellung

3. März 1943

Geringer Beschuss in der Nacht und auch am Tage.

18.00 Uhr: Unser Bataillon wird durch ein Bataillon Infanterie Regiment 26 abgelöst. Bei meiner Kompanie vollzieht sich die Übergabe und das Lösen aus der Stellung sehr schnell. Leider haben die 1. und die 2.Kompanie Verluste zu verzeichnen, da die Ablösung dort sehr geräuschvoll erfolgt und der Russe dazwischen schießt.

Wir marschieren über die Lowatj zur Rollbahn.

Quelle: Vereinigung Angehöriger der ehemaligen 122. (Greif) Inf.-Division, Nr. 23, Dezember 1960