Mit dem I.R.409 über den Ostfluß bei Fichtenhöhe am 22.6.1941

Der 21. Juni, ein heißer, schwüler Tag, geht zur Neige. Wir alle ahnen, was am Schoße der nahen Zukunft verborgen liegt. Es gibt keinen Frieden in Europa und in der Welt. An der Grenze zum roten „Paradies“ steht das große graue Heer der Deutschen, darunter auch unsere „Greif-Division“. Bei sinkender Sonne des 21. Juni marschieren kleine Abteilungen von Feldgrauen der Grenze zu. Weit gestaffelt in Gehöften und Dörfern, in Wald und Busch, stehen die Kompanien der Bereitstellung. Schnell noch ein paar Stunden Schlaf, denn die kommenden Tage werden heiß sein und das äußerste der Männer fordern.

22. Juni, 2,30 Uhr früh! Aus dem Dunst des jungen Sommermorgens treten die Umrisse von Haus, Baum und Strauch schon klar hervor. Am Gut Fichtenhöhe ist es lebendig geworden. Behutsam jede Deckung ausnutzend, haben die Schützen, die Pioniere ihren Platz eingenommen. Hier und dort überall im Gesträuch kauernde graue Gestalten, hart und straff sind ihre Züge gespannt; sie wissen, daß sie den entscheidenden ersten Schlag tun sollen. Von ihrer Haltung wird jetzt alles abhängen. Wie langsam die Minuten verrinnen, so unendlich langsam, eine Ewigkeit schier! Wenn es nur erst soweit wäre! Da, ein Brummen in der Luft, deutlich „aus der roten Richtung“ näherkommend, ein feindliches Aufklärungsflugzeug! Und während die Granaten unserer Flak in der Luft krepieren, während immer neue Sprengwolken das Flugzeug umschließen hat der Sekundenzeiger der Uhr die entscheidende Schwelle übersprungen.

Übersetzen am Ostfluss am 22.6.1941 um 3 Uhr

Die ersten Boote überschreiten den Ostfluss am 22.6.1941 3.05 Uhr.

Ostflussüberquerung am 22.6.1941, Fichtenhöhe, 3.05 Uhr! Die Stunde der Pioniere ist gekommen. In Sekundenschnelle sind die Schlauchboote aus der Deckung geschoben und mit den ersten Stoßtrupps, Handgranate und Karabiner griffbereit, besetzt. Behutsam gleiten die Paddel ins Wasser und treiben das Boot schnell an das andere Ufer. Die Männer springen an Land und sichern von der ansteigenden Uferböschung aus. Und nun peitschten die ersten Schüsse die Luft, MG’s bellen. Unsere MG-Schützen aber, unter den Augen ihres Regimentskommandeurs, Oberst Wickede, wissen Luft zu machen, wenn sie mit ihren Feuerstößen die feindlichen Widerstandsnester beharken. Und während Handgranaten krepieren, MG’s hämmern, geht der Übersetzungsbetrieb wie bei einer gutangelegten Übung vor sich. Wahrlich, unsere „Greif”-Pioniere verstehen ihr Handwerk. An zwei Übersetzstellen ist nun Hochbetrieb.

Ostflussüberquerung am 22.6.1941

Auf der rechten Seite sind um 4.30 Uhr bereits 3 Kompanien sowie ein Zug Pak, an der linken Übersetzstelle um 4,40 Uhr schon zwei Bataillone hinübergeschafft, eine stolze Leistung! Währenddessen wird gleichzeitig mit dem Bau einer Floßsackbrücke begonnen. Kräftige Fäuste rammen Pfähle in den schlammigen Sand des Ostflusses, schleppen Bohlen und Balken herbei. So fügt sich Floßsack an Floßsack, bald werden die ersten Fahrzeuge folgen können.

Der Pionier hat die Schwelle zum roten Sowjetstaat gelegt, jetzt kommt die Stunde des Infanteristen. Immer wieder muß er den Rotarmisten zu Leibe gehen, vielfach asiatische, heimtückische Soldaten, die mit dem ihm angeborenen Naturinstinkt verbissen kämpfen, dabei zumeist verteufelt genau schießen. Jedes Kornfeld, jeder Busch, jedes Haus ist erst genommen, wenn der Infanterist systematisch „durchgekämmt“ hat.

Fahrzeuge wirbeln Staub auf

Während die Mitte des Regiments schnell vorstößt, hält an der linken Flanke ein Bunker den Angriff auf. Sofort ist Pak in Stellung, klatschend schlagen die Geschosse auf. Die Roten müssen die Schießscharten schließen, aber umso verzweifelter feuern sie aus den anderen Öffnungen. Die ersten Verluste sind unvermeidlich. Endlich, nach hartem Feuerkampf, erwischt es die Rotarmisten‚ das Widerstandsnest wird ausgeräuchert, der Umbau des Bunkers geht in Flammen auf. Und weiter stürmen die Infanteristen des Regiments und bleiben dem Feind hart auf den Fersen. Das Gelände ist zwar für die Verteidigung wie geschaffen, überall lauern die Roten, oft sinnlos bis zum Letzten kämpfend. Doch nur vorwärts, ostwärts! Und während die Schützengruppen weit auseinandergezogen durch Kornfeld und Wiese, durch Bruch und Acker stampfen, oft Meter um Meter dem Feinde abringend‚ oft aus dem Hinterhalt von Heckenschützen überfallen, steigt der graue Staub Litauens hinter den Fahrzeugen und hinter den Hufen der Pferde in dicken Schwaden empor. Zum Himmel aber quillen riesige Rauchsäulen, von brennenden Gehöften‚ in dicken schwarzen Rauchpilzen die Front zum Osten weisend.

Heckenschützen lauern überall aus dem Gehöft peitschen Schüsse, sofort beginnt die Einkreisung und Aushebung der Buschschützen 23.6.1941. in Vidgirai

Sintakai, Sintautai sind die ersten Stationen im Kampftag des Regiments 409. Diese sind die tiefsten Eindrücke des beginnenden Kampfes: in der Glut der Junisonne, getragen von einem fanatischen Angriffswillen, erkämpft unsere Infanterie Stück für Stück des weiten Ostraumes. Wald, Busch und Feld lauern als die großen Unbekannten, der stickende Staub ist der ständige Begleiter.

Quelle:

  • “Greif-Nachrichten”, Nr. 6 vom 27.7.1941
  • Vereinigung Angehöriger der ehemaligen 122. (Greif) Inf.-Division, Nr. 14, Dezember 1956